Europäische Gesellschaftsformen

Europäische Gesellschaftsformen: In diesen 3 Situationen machen sie Sinn

Sie haben bereits von europäischen Gesellschaftsformen wie der SE oder der EWIV gehört und fragen sich, ob Sie von einer Umwandlung profitieren könnten? Gibt es irgendwelche Steuervorteile, die Sie sich sichern können?

Und was ist eigentlich der Unterschied zu deutschen Rechtsformen wie der GmbH?

Diese und weitere Fragen zu den europäischen Rechtsformen beantworte ich in diesem Beitrag.

Eines möchte ich Ihnen aber schon vorweg verraten: Rein steuerlich gesehen können Sie sich (bis auf eine Ausnahme bei der EWIV) keine Vorteile sichern.

Dennoch gibt es meiner Meinung nach drei Situationen, in denen Sie ernsthaft über eine Umwandlung nachdenken können. Welche Situationen ich meine lesen Sie weiter unten in diesem Beitrag.

Mein Beitrag im Überblick:

Dieser Beitrag wurde am 21. August 2021 aktualisiert.

Was ist eine europäische Gesellschaftsform?

Europäische Gesellschaftsformen sind Rechtsformen, die einheitlich in der gesamten europäischen Union gelten (siehe Art. 4 EUV). Nationale Rechtsformen (also die deutsche GmbH, die spanische srl. oder die italienische S.p.A.) gelten paralell zu den europäischen Rechtsformen.

Eine europäische Gesellschaftsform kann immer dann gewählt werden, wenn das Unternehmen in mindestens zwei EU-Staaten einen Sitz hat.

Jeder Unternehmensteil wird allerdings weiterhin in dem Land besteuert, in dem sich die jeweilige Niederlassung befindet.

Welche europäischen Gesellschaftsformen gibt es?

Derzeit gibt es folgende drei europäische Gesellschaftsformen:

1. Europäische Gesellschaft (SE)

Diese Rechtsform ist der deutschen Aktiengesellschaft sehr ähnlich. Es handelt sich also um eine Gesellschaft, deren Anteile in Aktien aufgeteilt sind und die an einer Börse notiert sein kann (siehe Verordnung (EG) 2157/2001 des EU-Rates).

Das Mindestkapital beträgt 120.000 Euro und die Haftung der Aktionäre ist auf die Beteiligung beschränkt.

In der Praxis wird die SE häufig beim Aufbau einer europaweiten Holding-Struktur eingesetzt. Die SE nimmt dabei die Rolle der Mutter ein, die Anteile an Unternehmen in verschiedenen Ländern hält.

Der große Vorteil: Die Tochter muss keine europäische Gesellschaft sein. Befindet sich die Tochter in Deutschland, kann beispielsweise die Rechtsform “GmbH” beibehalten werden.

2. Europäische Genossenschaft (SCE)

Die europäische Genossenschaft ist vom Prinzip mit der deutschen Genossenschaft ident (siehe Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des EU-Rates).

In der Regel wird eine europäische Genossenschaft gegründet, wenn sich mindestens fünf Personen oder Firmen zusammenschließen, um eine gemeinsame Idee zu verfolgen.

Zur Gründung ist ein Mindestkapital von 30.000 Euro notwendig und die Haftung ist auf die Einlage beschränkt.

Da das für Sie wahrscheinlich etwas abstrakt klingt, möchte ich das Prinzip mit einem praktischen Beispiel erklären: Der deutsche Fleischvermarkter Westfleisch ist eine europäische Genossenschaft, der sich schon mehr als 4.700 Landwirte angeschlossen haben.

Die Idee, die alle Mitglieder vereint, ist in diesem Fall die Einhaltung aller Standards, um eine möglichst hohe Qualität zu gewährleisten.

Wichtig: Da die europäische Genossenschaft keine Gewinne machen darf, müssen alle Einnahmen an die Mitglieder ausgezahlt werden.

3. Europäische wirtschaftliche Interessensvereinigung (EWIV)

Die EWIV kann sehr gut mit der deutschen oHG verglichen werden: Sie benötigen zur Gründung kein Mindest-Stammkapital und Sie haften immer persönlich für das Betriebsvermögen (siehe Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des damaligen EWG-Rates).

In der Praxis wird diese Gesellschaftsform nicht nur für operative Geschäftstätigkeiten, sondern auch zur Verwaltung von Immobilienvermögen gegründet.

Das hat einen einfachen Grund: Die EWIV macht es möglich, dass Sie Immobilien, die einer GmbH gehören, steuerfrei verkaufen können.

 

Zusätzlich zu diesen drei Rechtsformen war vor einigen Jahren auch die Einführung der europäischen Privatgesellschaft geplant. Diese Rechtsform wäre die europäische Variante der deutschen GmbH gewesen.

Da sich das EU-Parlament leider auf keine rechtssichere Regelung einigen konnte, wurde die europäische Privatgesellschaft noch nicht umgesetzt.

In diesen 3 Situationen sind europäische Gesellschaftsformen sinnvoll

1. Sie möchten eine Holding-Struktur mit einheitlichem Gesellschaftsrecht schaffen

Wie oben schon kurz erwähnt wird vor allem die europäische Gesellschaft (SE) häufig als Holding-Mutter verwendet.

Werden nun beispielsweise Töchter aus Deutschland, Österreich und Tschechien in das Konstrukt eingegliedert, können Sie sich entscheiden, welches nationale Gesellschaftsrecht nun in der gesamten Gruppe angewendet werden soll.

Damit senken Sie Ihre Verwaltungskosten und schaffen einen einheitlichen Führungsstil, der für alle Personen einfacher zu durchblicken ist.

2. Sie möchten Immobilien steuerschonend verkaufen

Wie in der Erklärung zur EWIV schon kurz angedeutet, können Sie dank der EWIV Immobilien, die sich im Eigentum einer GmbH befinden, steuerfrei verkaufen.

Ein solcher steuerfreier Verkauf ist ansonsten nur bei Privatpersonen oder Personengesellschaften unter Einhaltung einer zehnjährigen Frist möglich.

Vereinfacht gesagt überführen Sie den Verkaufsgewinn einfach aus der GmbH in die EWIV und können dort eine Rücklage bilden. Diese Rücklage muss nicht versteuert werden und Sie können den vollen Verkaufsgewinn später reinvestieren.

3. Sie möchten vom guten Image der europäischen Gesellschatsformen profitieren

Durch die Umwandlung bzw. Neugründung einer europäischen Rechtsform verleihen Sie Ihrem Unternehmen eine internationale Ausstrahlung. Ihre Geschäftspartner wissen sofort, dass Sie in mehreren Ländern aktiv sind.

Durch die hohen Kapitalanforderungen bei der SE können Sie auch gleichzeitig Ihre Bonität erhöhen.

Achtung bei der Umwandlung: Vermeiden Sie diesen Fehler

Wenn Sie beim Aufbau einer Holding-Struktur ein bereits bestehendes Unternehmen in eine SE umwandeln möchten, müssen Sie aus steuerlicher Sicht sehr vorsichtig sein.

Sie dürfen auf keinen Fall den Fehler begehen, eine bestehende Tochtergesellschaft in die Holding-Mutter umzuwandeln.

Denn: Handelt es sich beim umzuwandelnden Unternehmen um eine Tochtergesellschaft, ist eine Umwandlung wahrscheinlich steuerlich ein fiktiver Verkauf. Dieser Verkauf muss in weiterer Folge voll versteuert werden.

Die bessere Lösung: Sie wandeln eine bestehende Muttergesellschaft um. Diese Umwandlung ist in vielen Fällen steuerneutral möglich.

Die einzigen weiteren Details, die Sie dann noch beachten müssen, sind unterschiedliche Rückwirkungsfristen. In Deutschland gilt die Umwandlung beispielsweise 8 Monate rückwirkend. In Frankreich gilt normalerweise eine Rückwirkung von 4 Monaten.

Im Falle einer Umwandlung müssen Sie also die Fristen kennen, die auf Ihren Fall zutreffen.

Fazit: Europäische Gesellschaftsformen sind gute Alternative für mehrstaatliche Unternehmen

Wenn Ihr Unternehmen in mindestens zwei EU-Staaten wirtschaftlich tätig ist oder Sie Immobilienvermögen steuerfrei verkaufen möchten, könnte eine europäische Gesellschaftsform für Sie geeignet sein.

Vor allem bei länderübergreifenden Holding-Strukturen profitieren Sie vom einheitlichen Gesellschaftsrecht und der daraus resultierenden Einsparung in der Verwaltung.

Ob eine europäische Gesellschaftsform allerdings wirklich die für Sie beste Rechtsform für Sie ist, kann nur ein erfahrener Steuerberater nach einer eingehenden Analyse beurteilen.

Ich wollte Ihnen mit diesem Beitrag nur einen kleinen Einblick in die europäischen Gesellschaftsformen geben und Ihnen die wichtigsten Grundzüge erklären.

Sollten Sie zu einer dieser Rechtsformen noch offene Fragen haben oder weiterführende Beratung benötigen, so können Sie mich jederzeit kontaktieren. Ich bin via Telefon (+49 40 44 33 11), E-Mail (anfrage@steuerberatung-breit.de) oder meinem Kontaktformular für Sie erreichbar.

Herzlichst,

Ihr Thomas Breit

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